»Die Besten aus Wien« in der Elbphilharmonie, März 2024
Video on Demand vom 24.3.2024

André Heller & »Die Besten aus Wien«

Der krönende Abschluss des »Reflektor André Heller«: ein extravaganter Wienerlied-Abend mit Größen wie Voodoo Jürgens, Der Nino aus Wien, Marco Michael Wanda – und André Heller höchstpersönlich.

Wenn der österreichische Liedsänger und Tausendsassa André Heller ein Festival in der Elbphilharmonie kuratiert, dann dürfen sie natürlich nicht fehlen: die großen Namen der aktuellen Wienerlied-Szene. So versammeln sich die »Besten aus Wien« zum grandiosen Finale des »Reflektor«-Festivals im Großen Saal. Und sogar André Heller höchstpersönlich lässt es sich nicht nehmen, erstmals seit Jahrzehnten wieder die Konzertbühne zu betreten ...

Der charismatische Sänger Voodoo Jürgens reist dafür ebenso an wie Nino Mandl, besser bekannt als Der Nino aus Wien. Die Liedermacher-Ikone Ernst Molden ist dabei, dazu Marco Michael Wanda, Frontmann der gleichnamigen Indie-Rock-Band, die humorvolle Anna Mabo, die fabelhaften Sängerinnen Tini Kainrath und Ursula Strauss. Instrumentale Vielfalt bringen die Neuen Wiener Concert Schrammeln und das Frauenorchester, das eigentlich nur aus drei Gitarre, Bass und Schlagzeug spielenden Frauen besteht. Mit viel Achtung für die Tradition hauchen sie alle dem Wienerlied neuen Geist ein und halten so dieses alte Genre lebendig, das es das es so kein zweites Mal gibt auf der Welt – eine gut gelaunte Mischung aus Chanson und Blues, Volksmusik und Kabarett, die nur so sprüht vor Geist und Witz, den die Wiener »Schmäh« nennen.

Reflektor André Heller :16. – 24. März 2024

Unter dem Titel »Fremd in der Fremde« kuratierte André Heller eine »Woche des Staunens« in der Elbphilharmonie – mit Künstlerinnen und Künstlern aus aller Welt und quer durch alle Genres.

Besetzung

André Heller Gesang

Ernst Molden Gitarre, Gesang

Der Nino aus Wien Gitarre, Gesang

Voodoo Jürgens Gesang, Gitarre

Anna Mabo Gesang, Gitarre

Tini Kainrath Gesang

Ursula Strauss Gesang

Marco Michael Wanda Gesang

Neue Wiener Concert Schrammeln

Peter Uhler Violine
Nikolai Tunkowitsch Violine
Walther Soyka Akkordeon
Peter Havlicek Gitarre

Sibylle Kefer Gitarre, Gesang

Marlene Lacherstorfer Kontrabass

Maria Petrova Schlagzeug

u. a.

»Die Besten aus Wien« in der Elbphilharmonie, März 2024 »Die Besten aus Wien« in der Elbphilharmonie, März 2024 © Daniel Dittus
»Die Besten aus Wien« in der Elbphilharmonie, März 2024 »Die Besten aus Wien« in der Elbphilharmonie, März 2024 © Daniel Dittus
»Die Besten aus Wien« in der Elbphilharmonie, März 2024 »Die Besten aus Wien« in der Elbphilharmonie, März 2024 © Daniel Dittus
»Die Besten aus Wien« in der Elbphilharmonie, März 2024 »Die Besten aus Wien« in der Elbphilharmonie, März 2024 © Daniel Dittus
»Die Besten aus Wien« in der Elbphilharmonie, März 2024 »Die Besten aus Wien« in der Elbphilharmonie, März 2024 © Daniel Dittus
»Die Besten aus Wien« in der Elbphilharmonie, März 2024 »Die Besten aus Wien« in der Elbphilharmonie, März 2024 © Daniel Dittus
»Die Besten aus Wien« in der Elbphilharmonie, März 2024 »Die Besten aus Wien« in der Elbphilharmonie, März 2024 © Daniel Dittus
André Heller André Heller © Daniel Dittus

Gold’nes Herz, dunkler Schmäh :Über das Programm

Ist die Donau so schön und so blau, wie es des Walzerkönigs Johann Strauss größter Klassiker vorgibt, oder ist sie doch eher trist und schlammig-braun? Wie kann es sein, dass die lebenswerteste Stadt der Welt (laut Mercer-Studie 2023) zugleich auch die unfreundlichste ist (laut Expat City Ranking 2022)? Wie grau und versiegelt darf eine grüne Metropole sein? Wie viel Süße verträgt das Bittere? Und wie viel Tod gehört zum Leben?

Das Wienerlied ist für alle da

In Wien sorgt erst der Kontrast für Harmonie. Und darüber singt man. Schon seit dem frühen 19. Jahrhundert, als das alte Wienerlied als Sammelsurium verschiedenster Einflüsse entstand. Die Tradition der Bankelsänger und Harfinisten traf auf die Operette und den Walzer, alpenländische Volksmusiken verschmolzen mit nestroy’schen Theatercouplets und städtischen Gesangsstilen, geprägt von Zugewanderten aus der österreichisch-ungarischen Monarchie. Für die gelernten Wiener:innen waren keine großen Bühnen mehr nötig – die Musik wanderte in die Gaststätten und Heurigen, wo man sich gesellig dem Wein hingab und gerne miteinstimmte. Im Gegensatz zu dem, was in den großen Opernhäusern stattfand, war das Wienerlied für alle da.

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts fand das alte Wienerlied dank der Gebrüder Johann und Josef Schrammel zu ihrer populärsten Form: Die nach ihnen benannte Schrammelmusik mit der klassischen Besetzung Violine, Kontragitarre, Klarinette und Schrammelharmonika »raunzte« sich für viele Dekaden durch die Stadt – mit einer seligen Melancholie hatten die vergebene Liebe, der Tod, der Rausch, der Verfall der Sitten und die Nostalgie bis spätabends ihren großen Auftritt. Und trotz all der Finsternis pochte es stets mit hellster Leidenschaft, das gold’ne Wiener Herz. Heute mehr denn je, seitdem großartige Künstler:innen behutsam das Wienerlied entstaubt und erneuert haben. Viele davon sind auf Einladung des Ausnahmekünstlers André Heller im März 2024 in der Elbphilharmonie zu Gast.

Das neue Wienerlied

Ein Pionier dieses anderen, neu gedachten Wienerlieds ist Ernst Molden, der seit den Neunzigern die dunkle Seele der Stadt seziert – zuerst als Polizeireporter, später als Autor und Liedermacher. Dabei ist er äußerst produktiv: Man benötigt viele Hände, um seine Alben abzuzählen, und es gibt kaum relevante Wiener Musikgrößen, mit denen er noch nicht die Bühne geteilt hat. So hat er das Neue Wienerlied mitdefiniert und wird es auch weiterhin tun. Ein Tipp: Wer keine Gelegenheit hat, Wien zu unchristlichen Zeiten jenseits der ausgetretenen Pfade zu entdecken, der kann sich auch einfach einen Molden auflegen. Man kann ihm dabei zuhören, wie er den Charakter der staubigen Donaumetropole einfängt und nicht mehr loslässt.

Nicht ohne Grund nennt man ihn den »Bob Dylan vom Praterstern«: Nino Mandl, besser bekannt als Der Nino aus Wien, bestimmt die österreichische Musikkultur seit Ende der Nullerjahre und ist ein fester Teil der Wiener Liedermacher-Szene. Dass er der in der DNA des Wienerlieds verwurzelten Tradition des »Suderns«, also des Beschwerens, treu bleibt, beweist er aktuell mit der ersten Single-Auskopplung seines neuen Albums: Im Titel »Alles 1 Scheiss« gibt er der Kultur des Misslingens einen neuen Schwung. Das Album trägt übrigens den Namen »Endlich Wienerlieder« und ist seinem Großvater Rudolf Mandl gewidmet. Der war, wie auch nicht anders zu erwarten, ein leidenschaftlicher Wienerlied-Interpret.

Der Nino aus Wien: Es ist alles 1 Scheiss

Mit Voodoo Jürgens unternimmt man gerne eine Reise in die verkommenen Tschocherln der Stadt. So nennt man die urtypischen Kneipen im Wiener Raum, in denen nicht nur die holzvertäfelten Wände finster sind, sondern auch die Gestalten, auf die man trifft. Voodoo Jürgens erzählt ihre Geschichten, macht das klassisch Wienerische wieder salonfähig und erreicht damit sämtliche Generationen. Unterwegs ist er entweder mit seiner »Ansa Panier«, von vielen als beste Liveband des Landes bezeichnet, oder ganz allein mit Gitarre und griffigen Texten. Bittersüß, lyrisch präzise und unglaublich unterhaltsam.

Auch Anna Mabo braucht nicht mehr als eine Gitarre, um mit ihren Liedern ein ganzes Konzerthaus zu erfüllen. Es ist gar nicht so lang her, dass sie mit ihrem Debüt »Die Oma hat die Susi so geliebt« begeisterte. Seitdem ist die Singer-Songwriterin, Dichterin und Regisseurin aus der österreichischen Musikwelt nicht mehr wegzudenken. Ihr letztes Album nennt sie »Danke, gut« und setzt damit einer treffunsicheren Antwort, hinter der meist mehr steckt, ein Denkmal. Besser nachfragen, besser zuhören – dann wird auch die Welt eine bessere.

»Danke, gut«

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Anna Mabo
Anna Mabo Anna Mabo © Ingo Pertramer

Wiener Soul und Austropop

In fast jeder Musikgattung zu Hause ist Tini Kainrath. Kein Wunder, sie hat auch schon eine bewegte Reise hinter sich. Sie war Mitglied bei der Rocktheatergruppe Hallucination Company, vertrat Österreich 2000 mit den Rounder Girls beim Eurovision Song Contest und kooperierte bereits mit Größen wie Joe Zawinul, Willi Resetarits oder Gloria Gaynor. Seit vielen Jahren verschreibt sie sich dem Wienerlied und übersetzt es in ihren Wiener Soul. Auf ihrem aktuellen Album »Wia a rode Rosn« arbeitet sie zusammen mit dem Concertschrammler Peter Havlicek.

Ursula Strauss ist grundsätzlich eine umtriebige und vielfach ausgezeichnete Schauspielerin – seit mehreren Jahren spielt für sie aber auch die Musik, ihre zweite Leidenschaft, eine große Rolle. Gemeinsam mit Ernst Molden spielte sie sich mittlerweile schon über zahlreiche Konzertbühnen. Nach dem gemeinsamen Album »Wüdnis« folgte 2022 das Album mit dem klingenden Namen »Oame Söö« (»Arme Seele«). Hier finden Sagen und Mythen eine urösterreichische Interpretation.

Amore! Das italienische Wort für Liebe hat er zum Schlachtruf gemacht. Wobei: Schlachtruf ist der falsche Begriff – geht’s ja vielmehr ums friedliche Zusammensein, ums Zusammen-Lieben, ums Zusammen-Leiden. Der studierte Sprachkünstler Marco Michael Wanda hat seine gleichnamige Band zu einer der erfolgreichsten der österreichischen Musikgeschichte gemacht. Ihr Austropop-Wienerlied-Stadionrock-Repertoire begeistert Menschen im ganzen deutschen Sprachraum und beweist, dass man manchmal auch die leisen Gefühle laut aus sich herausgrölen sollte.

Americana in der Wiener Vorstadt

Zwar urtypisch, jedoch in einer erfrischend zeitgemäßen Art spielen die Neuen Wiener Concert Schrammeln alte »Weana Tanz« (Wiener Tänze) und Märsche – das machen sie seit Mitte der 1990er Jahre, und gehören damit zu den ersten, die das Wiener Volksliedwerk in die Gegenwart holten. Nach über zehn Alben und unzähligen Auftritten auf den großen Bühnen Europas spielen sie jedoch am liebsten im natürlichen Biotop: beim Wiener Heurigen.

Die Gitarristin und Sängerin Sibylle Kefer, ehemals Mitglied der legendären »Ausseer Hardbradler«, die umtriebige Bassistin Marlene Lacherstorfer, unter anderem Mitglied des New-Folk-Ensembles »ALMA«, und Maria Petrova, Schlagzeugerin mit bulgarischen Wurzeln, sind zusammen Das Frauenorchester von Ernst Molden. Ihr in Corona-Zeiten aufgenommenes Album trägt den Titel »Neiche Zeid« – so klingt Americana in der Wiener Vorstadt.


Text: Matthias Alber

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