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Weihnachtslieder und ihre Herkunft

Die Geschichten der beliebtesten Weihnachtshits.

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»O du fröhliche« :Aus dem Waisenhaus über den Weihnachtsschlager bis zum Protestlied

Heute ein Hit in jeder fröhlichen Weihnachtsgemeinde – ursprünglich ein weihnachtlicher Trost für 30 Waisenkinder. Die Geschichte von diesem beliebten Weihnachtslied führt zurück ins Jahr 1815, ins Waisenhaus des Weimarer Theologen Johannes Daniel Falk. Dieser hatte einige Jahre zuvor vier seiner sieben Kinder an Typhus verloren. Im selben Winter klopfte damals mitten in einem heftigen Schneesturm ein fremdes Kind an seine Tür, das offensichtlich beide Eltern im Krieg gegen napoleonische Besatzungstruppen verloren hatte. Der gutmütige Falk nahm das Kind auf – und bald darauf noch viele mehr.

Als 1815 mal wieder Weihnachten vor der Tür stand, wollte er seinen Waisenkindern zur Feier des Tages ein Lied schenken und dichtete kurzerhand das mehrstrophige »O du fröhliche«. Als Melodie dazu wählte er ein bekanntes altes Fischerlied aus Sizilien – den heute so beliebten Weihnachts-Tune haben wir also auch den italienischen Schifffahrern zu verdanken.

Noch im 19. Jahrhundert wurde das Lied in alle möglichen Sprachen übersetzt und gehört im englischsprachigen Raum bis heute als »O how joyfully« zu den Klassikern der Weihnachtszeit.

Schon gewusst?

Das bekannte Protestlied »We shall overcome« beginnt mit derselben Melodie wie »O du fröhliche«. Vermutlich ist das Lied über Einwanderer mit nach Amerika und in afroamerikanische Gemeinden gelangt. So konnte das Weihnachtslied aus dem Weimarer Waisenhaus zur Inspiration für eine der bekanntesten Bürgerrechtshymnen werden.

»Jingle Bells« :Eine Schlittenfahrt bis ins Raumschiff

International ein fröhlicher Klassiker zum Weihnachtsfest, allerdings ursprünglich dafür nicht gedacht: In seiner ersten Fassung von 1857 war das Lied über den one-horse open sleigh nämlich ein Bericht über eine feurige Schlittenfahrt mitsamt Crash, der teilweise zudem als anzüglich empfunden wurde. Erste einige Jahre später entwickelte sich das Lied von James Lord Pierpont zu einem echten Christmas-Hit – obwohl das Wort »Weihnachten« nicht einmal vorkommt.

Schon gewusst?

»Jingle Bells« war der erste Song, der je aus dem All übertragen wurde. Kurz vor Weihnachten 1965 erlaubten sich die Gemini-6-Astronauten Wally Schirra und Tom Stafford einen fröhlichen Scherz mit ihrer Boden-Kontrollstation, indem sie meldeten: »Wir haben ein Objekt, das aussieht wie ein Satellit, der von Norden nach Süden wandert, wahrscheinlich im polaren Orbit. Ich sehe ein Kommandomodul und acht kleinere Module davor. Der Pilot des Kommandomoduls trägt einen roten Anzug.« Daraufhin holten sie eine heimlich mitgenommene Mundharmonika und Glöckchen hervor und sendeten ihre Darbietung von »Jingle Bells« Richtung Erde.

Tom Stafford und Wally Schirra
Tom Stafford und Wally Schirra © NASA
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»O Tannenbaum« :Von einer Liebeskummer-Ballade zum Weihnachts-Hit

Das, was heute ein fröhliches Weihnachtslied ist, war ursprünglich ein trauriges Liebeslied. »Du grünst nicht nur zur Sommerszeit, nein, auch im Winter, wenn es schneit« huldigt ein unglücklich Liebender den Nadelbaum in Abgrenzung zur untreuen Freundin. Das Lied wurde vom Potsdamer Gelehrten August Zarnack 1820 auf eine schon vorhandene Melodie (»Es lebe hoch, der Zimmermannsgeselle«) geschrieben. Bereits vier Jahre später schnappte sich sein Leipziger Kollege Ernst Anschütz das erfolgreiche Lied und machte darauf unter Beibehaltung der ersten Strophe kurzerhand ein fröhliches Weihnachtslied für Kinder. Ungefähr 100 Jahre lang waren danach beide Versionen des Tannenbaum-Liedes bekannt, allerdings blieb das Liebeslied lange die gängigere Variante. Erst nach dem Ersten Weltkrieg erlebte das Weihnachtslied seinen Boom, der bis heute anhält.

Schon gewusst?

»O Tannenbaum« hat nicht nur in Deutschland schon viele Umdichtungen erlebt, sondern wurde auch international immer wieder Vorlage für hymnenartige Gesänge. In der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung etablierte es sich beispielsweise als »Maryland, my Maryland« – heute die offizielle Hymne des Bundesstaats.

»Ihr Kinderlein kommet« :Der Erklär-Podcast eines engagierten Pfarrers

Diese beliebte Krippenspiel-Ballade haben wir einem außergewöhnlich engagierten Religionslehrer aus dem 18. Jahrhundert zu verdanken. Der Allgäuer Pfarrer und überzeugte Pädagoge Christoph von Schmid wollte den Kindern seiner Gemeinde eine anständige Bildung ermöglichen. Daher schrieb er Dutzende pädagogische Gedichte und Geschichten – darunter »Ihr Kinderlein kommet« (in der ersten Version noch »Die Kinder bey der Krippe«), um seinen kleinen begeisterten Zuhörern die Weihnachtsgeschichte nahezubringen. Das sofort erfolgreiche Gedicht wurde erst Jahre später, aber dafür gleich mehrfach vertont. Die heute bekannte Version geht auf die Melodie eines Frühlingsliedes »Wie reizend, wie wonnig« zurück.

Schon gewusst?

Anders als »O Tannenbaum« oder »Stille Nacht« hat »Ihr Kinderlein kommet« es nicht als Weihnachtslied in die ganze Welt geschafft, seine Melodie allerdings schon: In Island beispielsweise wird sie als ein beliebtes Sommerlied gesungen.

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»Vom Himmel hoch« :Luthers Geschenk für seine Kinder

In der weihnachtlichen Hitparade steht dieses Lied neben »O du fröhliche« und »Stille Nacht« ganz weit oben. Kein Wunder bei dem Urheber – kein Geringerer als Martin Luther höchstpersönlich schwang hier die Feder. Der Reformator verfasste das Lied Weihnachten 1534 für seine fünf Kinder. Als Textvorlage diente ihm die Weihnachtsgeschichte vom Evangelisten Lukas. Und damit alle gleich mitsingen können, wählte er für sein Gedicht eine bekannte Melodie aus dem Spielmannslied »Ich komm aus fremden Landen her«. Diese Vertonung ist allerdings nicht die, die heute bekannt ist. Einige Jahre später hat Luther selbst noch eine neue Melodie für sein Lied entwickelt, die bis heute zu den beliebtesten Weihnachts-Musiken gehört.

Schon gewusst?

Nicht nur Luthers Kinderschar freute sich über das Lied – es verbreitete sich schon im 16. Jahrhundert weiter, fand seinen Weg in Bachs »Weihnachtsoratorium« und ist heute international in verschiedenen Übersetzungen bekannt.

Text: Julika von Werder; Stand: 11.12.2020

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