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5 Fragen an Hatis Noit

Hatis Noit spielt in ihrer Musik mit den unendlichen Facetten weiblichen Gesangs. Ihr einmaliger Sound ist im Januar im Kaistudio zu hören.

Der Name »Hatis Noit« beschreibt in der japanischen Mythologie den Stengel der Lotusblume, deren Blüte für die reale Welt steht, während die Wurzeln der Pflanze die geistige Welt repräsentieren. Die in London lebende Vokalkünstlerin möchte diese Sphären verbinden. Angetrieben von der Erkundung der Grenzen von Körper und Geist, verbindet die in der entlegenen Region des Shiretoko-Nationalparks aufgewachsene Japanerin verschiedene musikalische Welten: Vom japanischen Gagaku über gregorianische Gesänge bis hin zur Oper. »Ich mag jede Musik, durch die wir mit uns selbst in Verbindung treten«, erklärt Hatis Noit, die nun in der Reihe »ePhil« zu erleben ist.

 

Shiretoko-Nationalpark
Shiretoko-Nationalpark © Chi King

 

Sie erschaffen mit Ihrer Stimme unvergleichliche, neue Klangwelten. Welche musikalischen Einflüsse formen diese?

Ich bin natürlich mit J-Pop aufgewachsen. Ich höre mir aber auch gern Folk- und experimentelle Musik an, manchmal Jazz. Vor allem liebe ich die menschliche Stimme. Jede ist anders. Ohne Worte zu verwenden, drückt der Klang einer Stimme sehr viel aus, transportiert sehr viele Informationen und Emotionen. Ich bin wirklich fasziniert davon und liebe jede Art von Vokalmusik. Es gibt eine Menge großartige Sänger:innen, die mich inspirieren. Aber eine muss ich besonders hervorheben: Als ich 16 Jahre alt war, verbrachte ich mit meiner Mutter einige Tage in einem alten Frauenkloster in Nepal. An dem einen Morgen hörte ich jemanden singen. Ich versuchte herauszufinden, woher der Klang kam, und landete in einem winzigen Zimmer, in dem eine Frau betete. Ich dachte, sie hätte ein Lied gesungen, dabei war es ein regionales buddhistisches Morgengebet – ganz anders als das japanische, viel melodischer. Sie war keine technisch brillante Sängerin, aber ihre Stimme klang so kraftvoll und mutig. Sie berührte mich sehr und veränderte mein Leben. Ich beschloss, selbst Sängerin zu werden.

 

 

Hatis Noit: Aura

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None © Erased Tapes

In Ihrer Vokalmusik verwenden Sie keine Worte, sondern singen Laute. Was ist der Grund dafür?

Ich versuche, durch meine Musik eine wichtige Erinnerung und das damit verbundene Gefühl wachzurufen. Dieses Gefühl ist so viel mehr als etwas, das man mit Worten beschreiben könnte. Zum Beispiel sehe ich manchmal das Bild vor mir, wie mich meine Mutter als Säugling in den Armen hielt und meine Wangen ihre Haut berührten. Die Wärme ihrer Haut ließ mich spüren, wie sehr sie von meiner Existenz berührt ist, ließ mich ihre Liebe spüren, ihre Aufregung, vielleicht auch ihre Angst oder Sorge. Ich tue mich schwer damit, die Komplexität dieses Moments mit einem Wort einzufangen. Sprache ist so begrenzt, weil sie unseren Fokus auf einen winzigen, spezifischen Punkt lenkt, der kommuniziert wird. Um diesen Punkt herum gibt es aber viele weitere Punkte, die wir eigentlich ausdrücken möchten. In der Sprache geht dieser Reichtum verloren, aber die Musik kann all das mühelos einfangen.

Welche Funktion erfüllt Musik für Sie persönlich?

Musik ist für mich auf jeden Fall eine Form von Therapie. Sie hilft mir immer wieder, mich selbst zu spüren und wieder zu finden. Das passiert ganz von selbst, wenn ich Musik höre. Und danach stellt sich so eine schöne innere Ruhe ein. Trotz meines verrückten Alltags und all der Dinge, um die ich mich kümmern muss, fühle ich mich viel ausgeglichener und voller Energie.

 

 

Was kann das Publikum bei Ihrem Konzert in der Elbphilharmonie erwarten?

Ich liebe Überraschungen auf der Bühne. Ich singe zwar komponierte Stücke, aber gebe mir immer die Freiheit zu improvisieren. Ich habe das Glück, an wirklich einzigartigen Orten aufzutreten, die mich dazu inspirieren, die Umgebung mit einzubeziehen. Als Solokünstlerin ist der Raum, in dem ich auftrete, mein zweites Band-Mitglied. Wenn ich die Location wechsle, spiele ich mit einem anderen Mitglied zusammen. Jedes Stück klingt durch die Akustik eines Raums völlig anders. Die Elbphilharmonie hat eine natürliche und einzigartige Akustik. Ich genieße es sehr, Sound in diesem Raum zu kreieren. Und auch das Publikum zu treffen und diese unmittelbare und tiefe Verbindung zu teilen, die aus dem Moment heraus entsteht und nicht geplant oder geprobt ist. 

Und was erwarten Sie vom Publikum?

Ich habe keine konkreten Erwartungen an das Publikum. Ich wünsche mir nur, dass es sich sicher genug fühlt, sich zu öffnen. Hoffentlich hilft ihm meine Musik dabei, sich selbst zu fühlen, sich an einen Moment aus der Vergangenheit zu erinnern, ein Bild aus der Zukunft zu sehen oder eine Antwort auf eine offene Frage zu finden.

 

Interview: Ivana Rajič

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