Symphoniker Hamburg / Sylvain Cambreling
»Zwischen Staub und Sternen«
Wenn Beethovens Neunte zu »Staub« wird: In Helmut Lachenmanns kompositorischem Kommentar werden einzelne Partikel des Opus magnum zerstäubt – bei der anschließenden Aufführung des Originalwerks dann aber wieder zusammengesetzt. Ergänzt wird die berühmte Sinfonie zudem durch Schönbergs Kantate, die als klingende Anklage die Grausamkeiten des Holocausts verarbeitet. Sylvain Cambreling setzt in seinem ersten Konzert als Chefdirigent der Symphoniker Hamburg ein engagiertes Zeichen für den Humanismus, wie auch Beethoven mit der Neunten Sinfonie seinerzeit.
Schon in der Saison 2017/18 war die Europa Chor Akademie Görlitz als Residenzensemble der Symphoniker Hamburg häufiger Partner des Orchesters – die künstlerische Zusammenarbeit wird auch in der Saison 2018/19 fortgeführt und mit der Aufführung von Beethovens Neunter Sinfonie eingeleitet. Der Chor, der aus jungen Sängern und Sängerinnen aus der ganzen Welt besteht, unterstützt die Symphoniker vor allen Dingen bei den Matinee-Konzerten: Sonntag vormittags stehen hier die großen Chorwerke auf dem Programm.
»Staub: Zerfallsprodukt von Geschaffenem, kosmische Materie, als Ablagerung Nachricht von Zeit.« Im Kommentar zu seiner Komposition »Staub« (1987) beschreibt Helmut Lachenmann (*1935) die Koordinaten für eine neue Art des Hörens: ein Hören, »das seine philharmonische Bindung überwunden, aber nicht vergessen hat«. Lachenmanns Ideal ist »eine musikalisch erfahrbare Nicht-Musik«; staubig übersetzt er mit »tonlos behaucht«; durch Dehnen und Zusammenziehen will er die Zeit an sich erfahrbar machen. Dass ihm Beethovens Neunte Sinfonie dabei als Steinbruch dient, machen Besetzung und Rhythmik ebenso deutlich wie die Partitur: Aufsteigende und abfallende Linien machen aus Beethovens Passage »Wo dein sanfter Flügel weilt« ein Notenbild.
Arnold Schönbergs erschütternder Nachkriegskommentar »A Survivor from Warsaw« konterkariert durch die pure Grausamkeit des Sujets die allumfassende »Freude, schöner Götterfunken«: Der Sprecher als Überlebender des Aufstandes im Warschauer Ghetto erlebt die kaltblütige Ermordung seines Volkes und lässt das Publikum durch seine lebhafte Ich-Erzählung daran teilhaben. Hektische Rhythmen und grelle Orchesterfarben unterstützen die Textaussage. Die geschrienen Befehle des Feldwebels in deutscher Sprache beschwören grausame Bilder dieser letzten Stunden der Niederschlagung des Aufstandes herauf. Einen Hoffnungsschimmer bringt der Chor zum Schluss: Die jüdischen Gefangenen besinnen sich ihrer Wurzeln und singen gemeinsam das jüdische Glaubensbekenntnis »Schma Jisrael«.
Besetzung
Symphoniker Hamburg
EuropaChorAkademie
Emily Magee Sopran
Michaela Schuster Mezzosopran
Sebastian Kohlhepp Tenor
Luca Pisaroni Bassbariton, Sprecher
Dirigent Sylvain Cambreling
Programm
Helmut Lachenmann
Staub
Ludwig van Beethoven
Sinfonie Nr. 9 d-Moll op. 125
Arnold Schönberg
A Survivor from Warsaw / Ein Überlebender aus Warschau op. 46 für Erzähler, Männerchor und Orchester
Abonnement
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