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»John Zorn hat meine Welt auf den Kopf gestellt«

Die Musikerinnen und Musiker des »Reflektor John Zorn« erzählen von ihrer Zusammenarbeit mit dem außergewöhnlichen Künstler sowie von ihrer Liebe zu seiner Musik.

Von swingendem Jazz bis zu brachialem Noise, improvisiert oder aufgeschrieben, vom Streichquartett bis zu elektronischer Klangwucht: Die Kreativität von John Zorn kennt keine Grenzen. Er ist ein Tausendsassa, unfassbar produktiv und schon längst eine Legende der Jazzwelt. Wie ist es, mit diesem wahrlich außergewöhnlichen Menschen zusammenzuarbeiten? Worin besteht der besondere Reiz seiner Musik? Die Musikerinnen und Musiker seines »Reflektor«-Festivals sind Wegbegleiter und Freunde, sie sind überwiegend schon lange Teil des großen Zorn-Kosmos, haben schon viele Stunden in Proberäumen mit ihm verbracht ...

Christopher Otto – violin

»John Zorns Musik ist wirklich der Spiegel seiner Persönlichkeit.«

Christopher Otto

 

»Sein unverkennbares Lachen und seine schelmische Freude daran, uns mit seiner Musik herauszufordern, haben mich sofort zutiefst beeindruckt!« – Der Geiger Christopher Otto erinnert sich noch genau an seine erste Begegnung mit John Zorn 2012, als er eines seiner teuflisch schweren Geigen-Duos spielte. Inzwischen hat er nicht nur Zorns einziges Violinkonzert im Repertoire, sondern auch sämtliche seiner Streichquartette, die er in Hamburg mit seinem grandiosen JACK Quartet auf die Bühne bringt.

»Zorns Quartette lassen uns auf unterschiedliche Weise immer wieder unsere eigenen Grenzen überwinden: die extreme Vielfalt an Klängen und Stimmungen, die starken Kontraste überraschen und begeistern uns jedes Mal«, schwärmt der Geiger. Die gemeinsame Probenarbeit mit Zorn an neuen Werken? Intensiv: »Seine unmittelbaren Reaktionen, wenn er ein Stück zum ersten Mal hört, sind oft ganz ungefiltert und manchmal sehr extrem.«

John Zorn probt mit dem JACK Quartet

Christopher Otto
Christopher Otto © Jack Quartet

Cyro Baptista – percussion

Cyro Baptista
Cyro Baptista © Wikimedia Commons

»40 Jahre voller Highlights!«

Cyro Baptista

 

»John Zorn hat mein Leben auf den Kopf gestellt – schon mehrfach!«, erzählt der legendäre Perkussionist Cyro Baptista voller Begeisterung. Als er 1980 aus Brasilien nach New York kam, dauerte es nicht lange, bis er Zorn bei der Probe für eines seiner Spiele begegnete, aus dem später das einzigartige Impro-Stück »Cobra« wurde. Seitdem sind ihre Wege nicht mehr voneinander zu trennen. Längst sind sie nicht mehr nur musikalische Partner, sondern auch Freunde: »Ich war so glücklich, als er an meinem 60. Geburtstag in die Carnegie Hall kam und dort spielte«, erinnert sich Baptista.

Der Mann, der dafür berühmt ist, abgefahrene neue Instrumente zu entwickeln, hat seit Jahrzehnten einen festen Platz in den verschiedensten Formationen rund um John Zorn. In Hamburg freut er sich nun auf die Weltpremiere der zehnköpfigen All-Star-Band New Electric Masada: »Wir spielen die schönste Musik, die John Zorn je geschrieben hat!«

Barbara Hannigan – soprano

»Dieses Stück hat mein Leben verändert.«

Barbara Hannigan

 

Sie gilt als beispiellose Stimm-Akrobatin, ihr Repertoire zählt rund 100 Uraufführungen und sie eroberte die Welt mit berüchtigten Partien wie der Titelrolle in Alban Bergs »Lulu«. Aber so etwas wie John Zorn’s Songzyklus »Jumalattaret« hat auch sie noch nicht erlebt: Einen ganzen Sommer lang hat sie dafür täglich stundenlang geübt. »Dieses Stück hat alles von mir gefordert«, gibt sie zu, »ich war panisch, weil ich gemerkt habe, dass ich noch nicht so weit bin.« In einer Mail munterte John Zorn sie damals auf: »Man kann sich nicht übertreffen, wenn man auf sicherem Boden bleibt. Erst im mutigen Moment des Loslassens wird die Musik wirklich lebendig.«

Und so kam es: Barbara Hannigan sang das scheinbar Unsingbare und sorgte im Oktober 2019 bei der Uraufführung in New York mit Stephen Gosling für restlose Begeisterung im Publikum. Seither arbeitet die kanadische Sopranistin regelmäßig mit John Zorn zusammen. In Hamburg präsentiert sie neben »Jumalattaret« auch das Werk »Pandora’s Box« mit dem JACK Quartet.

Barbara Hannigan
Barbara Hannigan © Marco Borggreve

»Sie ist 1000% Musik!«

John Zorn

Petra Haden – voice

Petra Haden
Petra Haden © Steven Perilloux

»John Zorn hilft mir, Noten zu finden, von denen ich gar nicht wusste, dass ich sie singen kann.«

Petra Haden

 

Als eine der Drillings-Töchter des legendären Jazz-Bassisten und Komponisten Charlie Haden ist die Sängerin Petra Haden seit jeher von Musik umgeben. Schon als Schülerin nahm sie ihre Stimme auf Mehrspurrekordern auf. Hadens rastlose und mehr als zweieinhalb Jahrzehnte andauernde musikalische Karriere führte sie von Jazz-Projekten über Blues und Klassik bis zum Punk-Pop mit ihrer Band That Dog. Heute widmet sich die Sängerin verstärkt stimmungsvollen A-cappella-Arrangements, in denen sie ihre eigene Stimme vielfach überlagert.

Für diese Stimme hat John Zorn seine »Songs for Petra« komponiert, die 2020 als Album veröffentlicht wurden. »Ich liebe die Zusammenarbeit mit John Zorn«, schwärmt Haden von den gemeinsamen Proben mit Zorn, mit dem sie seit Langem befreundet ist. »Er ermutigt und unterstützt mich bei allem, was ich tue. Und er ist ein musikalisches Genie. Es ist inspirierend, in seiner Nähe zu sein.«

Kirsten Sollek – alto

»Es gibt es nur wenige Dinge, die erfüllender sind.«

Kirsten Sollek

 

»Zorns Werke reizen die Extreme meines Stimmumfangs aus«, berichtet die Altistin Kirsten Sollek, die seit fast 20 Jahren mit John Zorn zusammenarbeitet. »Beim Einstudieren habe ich viel über meine eigene Stimme gelernt«. Solleks breites Musikverständnis durch alle Epochen – von Händels Barockopern über hochromantische Mahler-Sinfonien bis zur Musik des 20. und 21. Jahrhunderts – macht sie zur idealen Interpretin seiner Werke.

Eines davon bringt die US-Amerikanerin mit vier anderen Sängerinnen in der Elbphilharmonie auf die Bühne: »The Holy Visions« kreist mit entrückten Klängen um die mittelalterliche Mystikerin Hildegard von Bingen. »Das Stück ist ein Meisterwerk, das auch eine Meisterleistung erfordert«, erläutert Sollek. »Wenn es gut läuft, gibt es nur wenige Dinge, die erfüllender sind. Das Stück kontrahiert und dehnt sich ständig aus. Es ist intim, übermütig, erzählt eine Geschichte. Die Vielfalt an Stimmungen, Farben und Ausdrucksmöglichkeiten ist riesig, und zugleich müssen die fünf Sängerinnen absolut synchron sein.«

Kirsten Sollek
Kirsten Sollek © unbezeichnet

Carol Emanuel – harp

Carol Emanuel
Carol Emanuel © unbezeichnet

»Es gibt keine Komfortzone.«

Carol Emanuel

 

»An John Zorns Musik zu arbeiten katapultiert mich oft in einen Bereich des Zeitlosen, Ewigen«, reflektiert Carol Emanuel, die zu den führenden Harfenistinnen New Yorks im Bereich der zeitgenössischen Musik gehört. John Zorn lernte sie Mitte der 80er Jahre bei einem Konzert des Komponisten Anthony Braxton kennen. »Er lud mich ein, bei seinem nächsten Konzert mitzuwirken. Als ich ankam, wunderte ich mich, dass es keine Noten gab. Seine Antwort: ›Du darfst sie selbst erfinden!‹«

Seither wirkt Emanuel regelmäßig bei Projekten von Zorn mit – etwa im Gnostic Trio, mit dem sie in der seltenen Besetzung Harfe, Gitarre und Vibrafon schwebende, funkelnde Musik erschafft. Dabei ist sie immer wieder erstaunt über die Erfindungsgabe Zorns, der die Harfe mal als Bass-Instrument, mal akkordisch, mal als Melodie-Instrument einsetzt. »Zorn fordert stets das Maximum von unseren Instrumenten und das Beste von uns. Es gibt keine Komfortzone.«

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